3.1. Sprachdiktaturen

3.1.1 Katalan unter Franco

Unter Franco wurde fast alles getan, um die in Spanien existierenden Minderheitensprachen [16] zu verdrängen und Spanisch durchzusetzen. So passierte es auch in Katalonien.

Immer wieder hört man, dass Katalan unter Franco verboten gewesen sei. Das ist so nicht richtig. Von katalanischen Freunden habe ich eine Liste [17] von Werken bekommen, die während des Franco-Regimes auf Katalan erschienen sind. Ich habe sie stichprobenweise geprüft und keinen Fehler an dieser Feststellung, das Katalan nicht explizit verboten gewesen sei, gefunden.

Dennoch dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass es eine Sprachdiktatur gab. Ich zitiere hier ein Dokument der katalanischen Regierung [18]:

„Diktatur und Verbot der Verwendung der katalanischen Sprache. Während der auf den spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) folgenden Diktatur der Jahre 1939 bis 1975 wurde die Verwendung des Katalan in der Öffentlichkeit systematisch verfolgt, besonders streng in den 40er und 50er Jahren. Die Franco-Regierung verbot die Verwendung der katalanischen Sprache in der Erziehung, es durften weder Bücher noch Zeitungen oder andere Veröffentlichungen auf Katalan erscheinen und sogar Telegramme und Telefongespräche durften nicht auf Katalan sein. Filme wurde nur auf Spanisch gezeigt, alle Theaterstücke hatten auf Spanisch aufgeführt zu werden, und auch Radio und Fernsehen waren strikt in spanischer Sprache. Verträge, Urkunden und alle anderen Rechts- und Handelsdokumente mussten in Spanisch verfasst werden, Dokumente auf Katalan galten automatisch als ungültig und nichtig. Wegweiser, Ladenschilder, Werbung, alle nach außen sichtbaren Schriftzüge musste in spanischer Sprache sein.“

Umso verwirrender mutet es an, wenn heute in Katalonien das genaue Gegenteil stattfindet. Wer Ladenschilder in spanischer Sprache anbringt, wird bestraft. Jetzt müssen die Schilder in Katalan sein. Die restriktive Sprachenpolitik Francos wird konsequent von den Unabhängigkeitsbefürwortern angewandt, nur „umgekehrt“.

3.1.2 Restriktive Sprachenpolitik in Europa

Vielleicht ist nicht jedem bewusst, dass Sprache ein mächtiges Instrument ist und als ebenso mächtige Waffe ge- und missbraucht werden kann. Allen Regierenden ist das schon sehr klar. Sei es, dass durch Bombenangriffe getötete Zivilisten in „Kollateralschäden“ verwandelt werden, sei es, dass nationalistische Strömungen unterdrückt oder im Gegenteil, nationalistische Gefühle gestärkt werden sollen. Es gibt noch viel mehr Gründe, sie alle sollen der Manipulation der Regierten dienen. George Orwell hat das meisterhaft demonstriert in seinem dystopischen Buch „1984“, in dem die Regierenden „Neusprech“, eine künstlich veränderte Sprache aus politischen Gründen, verwenden.

Viel einfacher als Neusprech scheint, vielleicht als 1. Stufe, das Verbieten von Sprachen. Dazu 2 bedauerliche, aktuellere Beispiele.

Solange das Baltikum zur UdSSR gehörte, hatten sich viele Russen dort, vor allem in Estland und in Lettland, angesiedelt und, obwohl in der Minderheit, „Russisch war die Standardsprache, Kyrillisch Standardschrift, russische Kultur und Sitten waren prägend.“ [19] Die baltischen Sprachen waren marginalisiert worden.

Mit der Unabhängigkeit um 1990 hatten die Russen, die besonders in Estland und Lettland angesiedelt waren, ihre Dominanz verloren. Jetzt verlangten die baltischen Staaten entsprechende Sprachkenntnisse von den Russen, damit sie die Staatsangehörigkeit erlangen könnten. Zwei- oder Mehrsprachigkeit wie z.B. in Belgien war für die Balten keine Option. Die Russen mit ungenügenden baltischen Sprachkenntnissen waren plötzlich „sans-papiers“, also staatenlos und ohne Papiere.[20] Von Aufstiegschancen innerhalb des Baltikums ganz zu schweigen. Das Ergebnis einer solchen Sprachpolitik: „Lettland und Litauen diskriminieren Russen massiv“ [21].

Auch in der Krise in der Ukraine wiederholte sich das Muster der Umkehr einer Sprachdominanz in eine Sprachdiktatur. Zig Beiträge findet man dazu im Internet. Man muss nur „Verbot russische Sprache Ukraine“ eingeben. Als diesbezüglich informativ empfand ich einen Beitrag in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) aus dem Jahre 2014, der den Versuch des Verbots des Russischen als Dummheit beschrieb. [22]

Tatsächlich finden wir in spanischen Ländern mit Katalansprechern eine ähnliche Entwicklung nach der Beendigung der Francoschen Sprachdiktatur. Es sind wohl auch Rachegefühle, die jetzt dazu führen, dass alles Spanische verdrängt werden soll.

Die Frage ist, ob wirklich Rachegefühle alleine für diesen Verdrängungsprozeß in Spanien verantwortlich gemacht werden können. Dabei kann dieser Mechanismus der Verdrängung an vielen Beispielen studiert werden und ich versuche, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Die Franco-Diktatur war Mitte der 70er beendet worden, aber der Verdrängungsprozeß, so scheint es, begann fast 20-30 Jahre später. Wie wahrscheinlich mag es da sein, dass Rachegefühle aus eigenem Leiden die entscheidende Rolle gespielt haben? Schwer zu sagen.

Fußnoten

[16] Dazu gehören u.a. Baskisch, Galicisch und Aragonesisch

[17] Auszug von Werken, die auf Katalan während der Franco-Ära erschienen.
1942 aparece Rosa Mística de Mossen Camilo Geis. En catalán.
1944. Creación del premio Eugeni Nadal.
1945 Celebración del centenario de Jacinto Verdaguer, subvencionado por el estado.
1946 En el teatro Apolo se representa - en catalán - ' El ferrer de tall' de Frederic Solé, compañía de Jaume Borras.
1947 El premio Joan Martorell - novela en catalán -. Son premiados Celia Suñol por Primera Part y El cel no es transparent de Maria Aurelia de Campmany.
Entre 1947 y 49 se crean los premios Ciudad de Barcelona, el Victor Catala, Aedos, Josep Ysart....etc.
1948 Se estrena en el Apolo Ocells y llops, de Josep Maria Segarra con Maria Vila.
1951 José Ma Cruzet funda Ediciones Selecta para obras escritas en catalán.
Se concede el premio Joanot Martorell a Josep Pla, por su obra El Carrer stret.
1952 Durante la visita de Franco a Cataluña, se inaugura en junio la cátedra Mila i Fontanals para el estudio científico de la lengua catalana.
1955 El poeta y escritor José Ma de Sagarra recibe la orden de Alfonso X el Sabio por su publicación en catalán Memories.
1956 Se crea Lletra d'Or y el primero en recibir este galardón es Salvador Espriu por Final del laberint.
1959 en TVE se empiezan a hacer algunos programas en catalán para ser visionados en Cataluña.
1960 creación del premio Sant Jordi para novela.
Celebración subvencionada por el estado, del centenario del poeta Joan Maragall.(8)
1965 el canal UHF empieza a emitir 2 horas en catalán, cada día (véase Historia de la televisión ).
1965 el poeta y canónigo de la catedral de Tarragona Miquel Melendres edita su obra L' esposa de l'anyell, poema en catalán y del que el arzobispo de Tarragona Arriba y Castro regala un ejemplar al Papa Pablo VI.
1965 el Ateneo Barcelones crea el curso de filología catalána.
1966 radio Tarragona organiza cursos de catalán a través de su antena.
Ese mismo año Barcelona rinde homenaje a Maragall - poeta y presidente de la República española, naturalmente, y se inaugura un busto en los jardines que llevan su nombre.
1967 la Diputación de Lérida insugura la cátedra de Lengua Catalana.
Al mismo tiempo la Diputación de Barcelona acuerda dar cursos de catalán y funda la cátedra de lengua catalana en la facultad de Teología de Sant Cugat.
1968 Terenci Moix gana el premio Josep Pla con Onades sobre una roca deserta.
1969 se crea el Premi d' Honor a les lletres catalanes
1970 se inicia la publicación de la Enciclopedia Catalana....

[18] http://llengua.gencat.cat/permalink/77179f6c-5385-11e4-8f3f-000c29cdf219 - Seiten 14 und 15

[19] https://www.bundestag.de/blob/502250/654ef0029bbdbd201739eff87ba11920/wd-2-010-17-pdf-data.pdf - Seite 8

[20] ebda. S. 14

[21] https://www.infosperber.ch/FreiheitRecht/TV-Verbot-Lettland-und-Litauen-diskriminieren-Russen-massiv

[22] Die Überschrift des Artikels vom Osteuropa-Forscher Gerd Hentschel lautet: „Der Versuch, das Russische abzuschaffen, war eine Dummheit“. Und er schreibt weiter: „Nein!“ Es sei kein Sprachenstreit. „Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde in der Ukraine das Russische durch das Ukrainische als einzige Amtssprache ersetzt.“
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ist-der-konflikt-in-der-ukraine-auch-ein-kampf-der-sprachen-13045360.html

clicktoopen
Inhaltsverzeichnis zum Downloaden